Bei meiner fast 10-jährigen Tätigkeit im Reha-Bereich für Atemwegserkrankungen bin ich immer wieder auf das Problem „Psyche und Ängste“ gestoßen.
Dabei habe ich festgestellt, dass es für jeden COPD-Erkrankten ein täglicher Kampf ist.
Immer wieder blieben die Patienten in den Gängen stehen und schnappten nach Luft. Ja keinen Schritt zu schnell – denn die Bestrafung kommt sofort, als ob man nicht schon genug bestraft wäre.
Ein Patient berichtet:
Ganz schlimm ist, wenn die ersten Termine schon um 7.00 Uhr sind und der Zeitdruck dazukommt. Dementsprechend ist mein Schlaf auch schlecht gewesen und dann immer wieder das morgendliche Prozedere, bis man in die Gänge kommt.
Immer wieder die Frage: „Ist das Leben so noch lebenswert, wenn ich anderen nur noch zur Last falle?“ Und mir selbst macht es schon lange keinen Spaß mehr.
Aber Gott sei Dank bin ich jetzt in der Reha, da ich bin erstmal gut aufgehoben und habe viele Gleichgesinnte um mich herum.
Aber so viel Leid auf einem Fleck tut auch nicht immer gut.
Ach ja, ich muss zu Herrn Bruck, meinem Masseur, Sporttherapeuten und Seelentröster… So bin ich angekommen und freue mich, dass ich da bin und es geschafft habe. Kurzer Smalltalk und dann es geht ans Freimachen. Jede Bewegung bringt mich außer Atem und ich brauche schon gefühlte 10 Minuten, um mein Unterhemd auszuziehen, und dabei habe ich nur 20 Minuten Behandlungszeit, also könnte ich mich fast schon gleich wieder anziehen.
Je nachdem, was auf dem Programm steht, gibt es klassische Massage, heiße Rolle, Klopfmassage oder die beliebte Fußreflexzonenmassage, aber leider viel zu kurz.
Jetzt wieder anziehen, aber nicht zu schnell, sonst ist der Effekt gleich wieder weg. Hmmmh, wenn ich 10 Schritte gehe, ist der Effekt sowieso weg, muss ja zur nächsten Behandlung.
So vergeht der Tag, von Termin zu Termin, von der Massage zur Turnhalle oder zum Fango. Ach ja, habe noch Inhalation und immer wieder diese langen, langen Wege.
Manchmal nach dem Mittagsessen schlafe ich vor lauter Erschöpfung ein und verschlafe buchstäblich den nächsten Termin. Aber der Körper holt sich, was er braucht.
Aufgeschreckt wache ich auf und gehe mich schnell fertigmachen. STOPP – schnell war gestern- heute ist nur noch langsam, leider vergesse ich das manchmal (Atemnot ist der Preis).
Tränen kommen und Erinnerungen daran, was ich früher alles geleistet habe – Multitasking war angesagt. Die Tränen werden weggewischt und auf geht’s zur nächsten Herausforderung.
Danach endlich mal Pause…vielleicht doch noch an die frische Luft, war ja schon lange nicht mehr draußen (Vermeidung). Mit Rollator natürlich, denn ohne ihn wäre es eine Tortur, die schwere Sauerstoffflasche zu tragen, und allein deswegen hätte ich schon Atemnot.
Ich versuche mal, 100 Meter bis zur nächsten Bank zu laufen… Doch schon bald kommt Atemnot auf… Ich bleibe stehen und setze mich auf den Rollator, war wohl doch zu viel gewesen. Meine Psyche fängt an zu arbeiten, diese Atemnot und dann noch die Ängste dazu… Es gab schon mal bessere Zeiten.
Ja genau, mein Notfallspray brauche ich jetzt!
So gibt es bessere oder schlechte Tage, aber richtig gute Tage wird es nicht mehr geben……….
Kennen auch Sie solche Situationen? Fühlen auch Sie sich oft hilflos und ohnmächtig?
Es gibt unzählige Ängste und Phobien. Hier sind die häufigsten beispielhaft aufgezählt:
Ängstlichkeit im Alltag: Oft unbewusste, ängstliche Grundhaltung dem Leben oder Menschen gegenüber. Kann auch Stress erzeugen.
Soziale Phobien: Furcht vor Kritik und Zurückweisung anderer
Agoraphobie: Angst und Panikattacken in Situationen, in denen eine Flucht scheinbar oder tatsächlich nicht möglich ist (Auto, Fahrstuhl, Flugzeug, enge Räume, Menschenmengen…)
Spezifische isolierte Phobien: Angst beziehungsweise Panik in spezifischen Fällen: zum Beispiel Tiere (Spinnen), bestimmte Nahrung, Höhe, Brücken, Tunnel, Donner, Dunkelheit, Wasser, Schmutz, Schmerz, Spritzen, Arztbesuch, Prüfungen….
Panikstörung: unspezifische Phobie: scheinbar grundlose, nicht situationsbezogene Panikattacken „aus heiterem Himmel“
Die Angst vor der Angst: eine übliche Begleiterscheinung der Phobie. Sie führt dazu, dass man sich immer weniger zutraut – vor allem, wenn man versucht, gefährliche Situationen zu vermeiden. Je mehr man vermeidet, desto mehr geht die persönliche Freiheit verloren.
Wir kennen all diese Formulierungen: „Ihm stockte der Atem“, „Vor Angst wagt sie kaum noch zu atmen“ oder „Ihm blieb die Luft weg“….
Vielleicht kennen Sie den Rat, bei einer Panikattacke tief durchzuatmen – nur funktioniert das in der Regel nicht, denn wir haben es einfach nicht gelernt und nicht verinnerlicht.
Wir haben als COPD-Patient die Bauchatmung – oder anders ausgedrückt die Zwerchfellatmung – in Verbindung mit der Lippenbremse gelernt. Und diese Technik setzen wir jetzt in der folgenden Übung gezielt ein.
Die angstlösende Tiefenatmung
Atmen Sie durch die Nase bis tief in den Bauch 6 Sekunden ein. Dann mit der Lippenbremse 6 Sekunden ausatmen. Ausatmen hat auch etwas mit Loslassen zu tun und deswegen verbinden Sie das Ausatmen mit einem befreienden Satz: „Ich lasse los“ oder „Ich entspanne mich“.
Üben Sie jeden Tag mindestes 2 x 6 Minuten, damit sich Geist und Körper darauf einspielen, und wenn die nächste Atemnot kommt, können wir ihr damit gleich entgegenwirken.
Dabei müssen wir wissen, dass unser ganzes Atemsystem – auch bei den meisten Gesunden – verspannt ist. Meist sind Brust und Rückenmuskulatur verhärtet und wir brauchen etwas Geduld. Der Atem soll frei und weich fließen, so gut wie es eben geht.
So haben bei uns in der Reha alle Patienten zunächst einmal mehrere Massagen verordnet bekommen, um einfach alles zu lockern.
Denn wir sind es heutzutage nicht mehr gewohnt, tiefer zu atmen, und die meisten COPD-Patienten sind zudem Brustatmer, wodurch eine Sperre in ihrem Atemfluss entsteht.
Nur mit viel Üben kommen wir dahin, dass der Atem wieder leichter fließen kann.